Innovation und Technologie 19/20

Ionenkanäle – Ihre Entdeckung und aktuelle Bedeutung in Forschung und Medizin

Nobelpreisträger Prof. Erwin Neher


Bioelektrizität war im späten 18. Jahrhundert ein obskures, aber vielbeachtetes Phänomen. Der italienische Wissenschaftler Luigi Galvani hatte gezeigt, dass man bei Reizung des Nervens mit einem elektrischen Schock Muskelkontraktionen auslösen konnte. Während die Erforschung anderer elektrischer Phänomene im 19. Jahrhundert große Fortschritte machte, blieb die Bioelektrizität rätselhaft bis die britischen Forscher Alan Hodgkin und Andrew Huxley im Jahre 1952 zeigen konnten, dass der Nervenimpuls durch Änderungen der Durchlässigkeit der Nervenmembran und daraus resultierenden Ionenströmen zustande kommt. Dies wiederum provozierte die Frage, was der molekulare Mechanismus solcher Änderungen der Durchlässigkeit ist – was macht die Nervenmembran durchlässig für bestimmte Ionen? Im Jahre 1976 gelang es Erwin Neher gemeinsam mit Bert Sakmann nachzuweisen, dass sogenannte Ionenkanäle – porenartige Membranproteine – dafür verantwortlich sind, indem sie auf bestimmte Reize hin die Poren öffnen und schließen. Weltweite Forschungsarbeiten an Ionenkanälen haben in der Zwischenzeit gezeigt, dass diese nicht nur in sogenanntem erregbarem Gewebe – Nerv und Muskel – aktiv sind. Vielmehr vermitteln verschiedenste Arten von Ionenkanälen vielfältige physiologische Funktionen – vom Flüssigkeitstransport in der Niere bis zur Umsetzung von Licht, Schall und Temperatur in elektrische Signale in unseren Sinneszellen. Es hat sich herausgestellt, dass Ionenkanäle bevorzugte Angriffspunkte von Medikamenten sind und dass eine Vielzahl von Erbkrankheiten auf Mutationen in Ionenkanälen zurückzuführen sind. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erwin Neher, Nobelpreisträger für Medizin oder Physiologie, Emeritus-Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen Moderation: Dr. Ulrich Bleyer, Direktor a.D. Urania Berlin