15.7.-28.8.2022
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 12:00 Uhr - 20:00 Uhr
Eintritt frei; Ticket erforderlich
In der interdisziplinären Gruppenausstellung beschäftigen sich Künstler:innen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa auf sehr persönliche und zugleich hochpolitische Weise mit Fragen von Nation, Zugehörigkeit, Autonomie, Selbstbestimmung, Identität und Abschied.
Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur. Kriege verschieben Grenzen in jeglicher Hinsicht: persönliche, politische und moralische. Was macht es mit Menschen, zum Spielball solcher Grenzverschiebungen zu werden? Wie lassen sich diese überwältigenden Erfahrungen verarbeiten? Und wie kann eine künstlerische Auseinandersetzung damit aussehen?
Die ausgewählten Künstler:innen nähern sich in ihren Arbeiten den Grenzverschiebungen im Innen und Außen an: Wie fühlt sich Sehnsucht nach einer Heimat an, die es nicht mehr gibt? Zum Beispiel weil man in einem Land geboren wurde, das nicht mehr existiert oder aktuell besetzt und zerstört ist. Dabei spielen Kindheitserinnerungen an die Kriege auf dem Balkan und die Transformationsprozesse der 90er-Jahre in den postsozialistischen Staaten eine Rolle. Was ist das Material von Nation und wer verfügt darüber?
Elektra KB, Künstler:in ukrainisch-kolumbianischer Herkunft, arbeitet von New York aus auf dem Gebiet von Gender, Migration, Transkulturalität und Machtmissbrauch. Die Werke sind weltweit in Sammlungen zu finden und zeigen einen einzigartigen hybriden Ansatz von Utopie und Dystopie. In der Urania zeigt Elektra KB Textilarbeiten und eine installative Performance. Zentral im Werk von Mykola Ridnyi ist die Stadt Charkiw, sie ist auch sein Geburtsort. Ridnyis interdisziplinäres Schaffen umfasst Installationen, Skulpturen und Fotografie. In der Urania zeigt er eine Videoarbeit aus den Jahren 2014-2015 zu dem brutal-gewalttätigen Konflikt zwischen pro-ukrainischen und pro-russischen Aktivist:innen.
Bereits jetzt ist im Garten der Urania ist die Installation The Temple of the Transfiguration des Kyiver Künstlers Sasha Kurmaz zu sehen, die er als Resident Artist an der Jungen Akademie (AdK) kreiert und 2022 dort zuerst gezeigt hat. Das Objekt setzt Kurmaz‘ lange Recherche zur orthodoxen Religion in der Ukraine und der Rolle der Kirche als Akteurin im Russisch-Ukrainischen Krieg seit 2014 fort. Andrii Dostliev und Lia Dostlieva beschäftigen sich in ihren fotografischen, performativen und Sound-Arbeiten mit den Themen Erinnerung, kollektives Trauma und Identität. Die sehr persönlichen Geschichten, darunter Erinnerungen an die Stadt Donezk, reichen bis in die 90er-Jahre zurück.
Kindheitserinnerungen spielen auch eine große Rolle im Werk von Lana Mesić; geboren in Jugoslawien (heute: Kroatien). In den 90er-Jahren suchte sie in Atomschutzbunkern Schutz, baute Kalaschnikows aus Legosteinen und fragte sich: Wer ist eigentlich der Feind? Die Mythen und Symbole, die Nationalismus braucht, um Bindungskraft zu entfalten, sind zentrale Motive ihrer Arbeiten. Robert Gabris beschäftigt die Frage, wem ein Land gehört und wer ein gleichberechtigter Teil davon sein kann. Der Künstler slowakischer Herkunft arbeitet oft autobiografisch und beschäftigt sich mit Identitätspolitik, queerer Körperlichkeit und den Grenzen der Mehrheitsgesellschaft. In seinen abstrakten Zeichnungen kreiert er eine ganz eigene „Landschaft der erträumten, naiven und vergangenen Liebe“.
Daria Svertilova wuchs in Odesa auf und benutzt ihre Kamera wie zur Beweisaufnahme: Zerbrechliche und verletzliche Erinnerungsstücke einer jungen Generation. Dabei untersucht sie auch die Koexistenz sowjetischen Erbes und eines neuen pro-europäischen Geistes. Junge Ukrainer:innen kurz vor Kriegsausbruch porträtierte auch die Berliner Fotografin und Journalistin Sina Opalka als sie Ende Januar 2022 noch auf den Straßen und in den Cafés Kyivs unterwegs war. Sie hielt damit letzte Momente des Friedens kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs fest.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Fanny Hagmeier und Leonie Kubigsteltig.
Ausstellende Künstler:innen
Andrii Dostliev (*1984, Brianka, Ukraine) ist Künstler, Kurator und Photography Researcher. Dostliev lebt derzeit in Polen. Sein Hauptinteresse gilt den Themen Erinnerung, Trauma, Identität und den Grenzen der Fotografie als Medium. Er arbeitet mit Fotografie, Video, Zeichnung, Performance sowie Installation und hat mehrere Fotobände veröffentlicht.
Lia Dostlieva (*1984, Donezk, Ukraine) ist Künstlerin, Kulturanthropologin und Essayistin und lebt derzeit in Polen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Themen Trauma, „Postmemory“, Gedenkpraktiken sowie die Handlungsmacht und Sichtbarkeit von vulnerablen Gruppen. Als Künstlerin arbeitet sie seit 2012 mit einem breiten Spektrum an Medien, darunter Fotografie, Installation, Textilskulpturen und Interventionen im städtischen Raum.
Ausstellungsauswahl (gemeinsame): Malta Festival (Poznań, 2022), Shcherbenko Art Centre (Kyiv, 2021), 2. Biennale of Young Art (Charkiw, 2019), Odesa National Art Museum (Odesa, 2021)
Elektra KB (Odesa, Ukraine) ist kolumbianische:r Künstler:in und lebt und arbeitet in Brooklyn, New York. 2015 absolvierte KB ein DAAD-Stipendium bei Hito Steyerl an der UDK Berlin, 2016 schloss KB einen Master of Fine Arts am Hunter College in New York ab. Werke von Elektra KB befinden sich in den Sammlungen des Yinchuan Museum of Contemporary Art in Yinchuan, China, der Fondation pour l’Art Contemporain Salomon und des Museum of Modern Art in Warschau. KB untersucht Gender, Migration, Transkulturalität und Machtmissbrauch mit utopischen Möglichkeiten und alternativen Universen. KB arbeitet in den Bereichen Textilien, Fotografie, Video, Installation und Performance.
Ausstellungsauswahl: Museum of Modern Art (Warschau, 2021), Brooklyn Museum (New York, 2019), SVA Flatiron Gallery (New York, 2017), Gaia Gallery (Istanbul, 2016), Yinchuan Museum of Contemporary Art (2015)
Robert Gabris (*1986, Hnúšťa Likier, Slowakei), wohnhaft in Wien, studierte Bühnenbild an der Akademie für Darstellende Kunst in Bratislava und setzte sein Masterstudium an der Akademie der bildenden Künste Wien fort. Er arbeitet mit dem Medium der Zeichnung als Form des Widerstands und entwickelt daraus auch Installationen und Performances. In seinen überwiegend autobiografischen Arbeiten taucht häufig das Thema der Identitätspolitik auf. Er interessiert sich für ausgeschlossene Gruppen und queere Körperlichkeit in Konfrontation mit den Grenzen der Mehrheitsgesellschaft.
Ausstellungsauswahl: Documenta fifteen (Kassel, 2022), Art Basel (Basel, 2022), Künstlerhaus Wien (Wien, 2022), Strabag Kunstforum (Wien, 2021), TENT Rotterdam (Rotterdam, 2021)
Sasha Kurmaz (*1986, Kyiv, Ukraine) ist interdisziplinärer Künstler und lebt und arbeitet derzeit in seiner Heimatstadt Kyiv. In seiner künstlerischen Praxis untersucht er verschiedene Modelle der Interaktion mit dem öffentlichen Raum, sozialen Gruppen und Gemeinschaften sowie die sich verändernde Beziehung zwischen Mensch und moderner Welt. Seine Werke wurden sowohl in der Ukraine als auch bei zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt.
Ausstellungsauswahl: Akademie der Künste (Berlin, 2022), National Center for Contemporary Arts (Minsk, 2020), C/O Berlin (Berlin, 2016), Künstlerhaus Wien (Wien, 2014)
Lana Mesić (*1987, Jugoslawien) lebt und arbeitet in Rotterdam, Niederlande. Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Fotografie an der AKV St. Joost in Breda 2010 erlangte sie 2012 dort auch ihren Master-Abschluss. Sie wurde für verschiedene Preise und Residenzen nominiert, zuletzt für das Stipendium für etablierte Künstler:innen des Mondriaan Fonds in den Niederlanden.
Ausstellungsauswahl: Stedelijk Museum Schiedam (Schiedam, 2021), Art Rotterdam (Rotterdam, 2015), Nichido Contemporary Art (Tokio, 2015), Het Nutshuis (Den Haag, 2014), São Paulo Photography Bienal (2013)
Sina Opalka (*1990, Gießen) lebt in Berlin. Nach einem Studium der freien Kunst und der Philosophie in Essen, Potsdam und Istanbul, wandte sie sich der Fotografie und dem Journalismus zu. 2021/22 absolvierte sie die Bildredaktionsklasse bei Nadja Masri an der Ostkreuzschule für Fotografie. Ihre Arbeit ist Ausdruck ihres Interesses an der globalen Gesellschaft und ihren Herausforderungen. Eines ihrer Hauptanliegen ist es, Menschen in ihrer Fotografie nahe zu kommen und die Vielseitigkeit von Lebensrealitäten zu entdecken.
Publikationsauswahl: Spiegel Online, Mare Magazin, Werde Magazin, Weekender Magazin
Mykola Ridnyi (*1985, Charkiw, Ukraine) ist Künstler, Filmemacher und Kurator, der in Kyiv lebt und arbeitet. 2008 schloss er sein Studium an der Staatlichen Akademie für Design und Kunst Charkiw ab. Seit 2005 ist er Gründungsmitglied der Gruppe SOSka, einem Kunstkollektiv, das zahlreiche Kunstprojekte in Charkiw kuratiert und organisiert hat und seit 2017 Mitherausgeber des Online-Magazins Prostory. Ridnyi arbeitet medienübergreifend, von ortsspezifischen Installationen und Skulpturen bis hin zu Fotografie und Experimentalfilmen.
Ausstellungsauswahl: transmediale (Berlin, 2019), Bonniers Konsthall (Stockholm, 2017), 56. Biennale in Venedig (2015), 35. Kasseler Dokumentarfilmfestival (2018), The School of Kyiv bei der Kyiv Biennale (2015)
Daria Svertilova (*1996, Odesa, Ukraine) lebt derzeit zwischen Kyiv und Paris, wo sie an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs ihren Master in Fotografie abschließt. Svertilova beschäftigt sich mit den Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die junge Generation der Ukrainer:innen und deren kulturellen Kontext. Mit Hilfe der Fotografie versucht sie, die Zerbrechlichkeit und Schönheit des flüchtigen Moments einzufangen. In ihrer künstlerischen Praxis greift Svertilova immer wieder auf die Motive der Reinheit, Zartheit und Verletzlichkeit zurück.
Ausstellungsauswahl: DOC (Paris, 2022), The Gallery at Dobbin Mews (New York, 2022), Mystetskyi Arsenal National Art and Culture Museum Complex (Kyiv, 2021), Calvert Gallery (London, 2018), Odesa Museum of Contemporary Art (Odesa, 2018)
Die Kuratorinnen
Leonie Kubigsteltig ist Programmkuratorin an der Urania. Sie konzipiert, kuratiert und produziert performative, diskursive und installative Formate- zuletzt für die Stiftung Berliner Mauer und das Deutsche Hygiene-Museum Dresden. Ihr Hintergrund ist in zeitgenössischem Tanz und Theater, sie hat viele Jahre als Regisseurin in England und Deutschland gearbeitet. Mit Fanny Hagmeier verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit an verschiedenen Bühnen und freien Videokunstprojekten.
Fanny Hagmeier ist Producerin, Kuratorin und visual artist mit langjähriger, internationaler Erfahrung in den Bereichen Videokunst, Bildender Kunst und Performance Art. Sie konzipierte und produzierte u.a. für das New York Film Festival, Athens Digital Arts Festival, LAPsody International Performance and Live Art Festival Helsinki, de Appel Amsterdam und das Internationale Filmfestival Rotterdam. Sie kuratierte u.a. Formate wie die Videokunst Ausstellung "Secret Art Cinema" für die Rotterdam Contemporary Art Fair und das interdisziplinäre Hidden Alley Festival in Rotterdam.
Begleitprogramm
C.A.T. Checkpoint
Interaktive Performance im Ausstellungsraum (Installation von Elektra KB, Performer:innen: An-Malv, Valeria Castro, Shanice Trustfull)
• Do, 14.7.2022: 18 – 22 Uhr
• Sa, 16.7.2022: 16 – 20 Uhr
• Sa, 6.8.2022: 16 – 20 Uhr
• Sa, 20.8.2022: 17 – 20 Uhr
• Sa, 27.8.2022: 16 – 19 Uhr
MATERIAL NATION — Grenzen ins Ungewisse
VOGUE FEM - Workshop with Danil Vitkovski
Fr, 22.7.2022, 14:00 Uhr
Danil Vitkovski
MATERIAL NATION — Grenzen ins Ungewisse
Artist Tour with Elektra KB (ENG)
Sa, 20.8.2022, 16:00 Uhr
Elektra KB
MATERIAL NATION — Grenzen ins Ungewisse
Kuratorinnenführung (DE)
Sa, 27.8.2022, 17:30 Uhr
Fanny Hagmeier
MATERIAL NATION — Grenzen ins Ungewisse
Finissage - Closing Event
Sa, 27.8.2022, 18:00 Uhr
Vom 15.7.2022 bis 28.8.2022
Vernissage: 14.7.2022, 17:00 Uhr
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 12:00 - 20:00 Uhr.
Eintritt frei; Ticket erforderlich.
Wir bitten alle Besucher:innen der Ausstellung um finanzielle Unterstützung von Be an Angel e.V. Die Initiative setzt sich für die nachhaltige Integration von Menschen mit Fluchtgeschichte ein und organisiert aktuell u.a. Shuttlebusse aus Moldawien für aus der Ukraine Geflüchtete. Spenden können sie hier direkt per PayPal oder Kreditkarte oder auch hier per Überweisung.
Gefördert aus Mitteln der LOTTO-Stiftung Berlin